Gumbo, das ist ein kreolisches Nationalgericht aus New Orleans, vielfältig, bunt und eigenständig. Der Jazz hat seine Anfänge im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts in New Orleans: Die Klänge von Marschkapellen, italienischen Opern, karibischen Rhythmen und Minstrel-Shows erfüllen die Straßen der Stadt mit einer reichen und bunten Musikkultur. Aus all diesen Zutaten mixen afrikanisch-amerikanische Musiker eine neue Musik, in der sie Ragtime-Synkopen und das tiefe Gefühl des Blues miteinander verbinden. Schon bald nach der Jahrhundertwende beginnen die Menschen, diese neue Musik "Jazz" zu nennen. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg bereisen die ersten Jazzmusiker das Land, aber nur wenige Menschen haben Gelegenheit, die neue Musik zu hören. Das ändert sich, als im Jahr 1917 die erste Jazzplatte aufgenommen wird: Die "Original Dixieland Jass Band", eine Gruppe weißer Jazzmusiker aus New Orleans, landet unerwartet einen großen Hit und wird über Nacht berühmt. Die Amerikaner sind plötzlich verrückt nach Jazz, das Land steht an der Schwelle zum "Jazz Age".
Flüsterkneipen, Backfische und lockeres Geld: Das "Jazz-Zeitalter" hat begonnen. Die Geschichte des Jazz wird zur Geschichte zweier großer Städte - Chicago und New York - und zur Geschichte zweier großer Musiker, deren Leben und Musik fast ein dreiviertel Jahrhundert umspannen: Louis Armstrong und Duke Ellington. In den "Roaring Twenties" verkauft der weiße Bandleader Paul Whiteman Millionen von Schallplatten mit seinem melodiösen Symphonikerjazz; Fletcher Henderson, ein schwarzer Bandleader, füllt die Tanzfläche des "Roseland Ballroom", in dem nur Weiße verkehren dürfen, mit seinen innovativen Big-Band-Arrangements. Im Jahr 1924 holt Henderson Louis Armstrong nach New York. Armstrong bringt seine brillianten Improvisationen in den neuen Sound der Big-Band ein - und es dauert nicht lange, bis er der ganzen Welt zeigt, wie man swingt.
Die Aktienkurse schnellen in schwindelnde Höhen, und die Jazzmusik findet immer neue Anhänger. Jazzsolisten und -sänger stehen jetzt im Rampenlicht: Bessie Smith, die Kaiserin des Blues, die mit ihren Liedern schwarzen Unternehmen hilft, eine neue Plattenindustrie aufzubauen; Bix Beiderbecke, der erste Weiße unter den Jazz-Größen und Benny Goodman, der es dem Jazz verdankt, dass er dem jüdischen Ghetto entfliehen und seine Träume verwirklichen kann. In New York spielt Duke Ellington in Harlems berühmtem "Cotton Club". Er schafft den Durchbruch, als das Radio seine Musik landesweit überträgt und ihm so zu nationalem Ruhm verhilft. Louis Armstrong verbindet Solospiel und Gesang zum sogenannten "Scat-Gesang". In kleiner Besetzung projiziert er die Zukunft des Jazz in einer Serie von Aufnahmen, deren Höhepunkt sein Meisterwerk "West End Blues" sein wird.
In den Jahren der Depression hat der Jazz die Aufgabe, einer angsterfüllten Nation wieder Mut zu machen. Er breitet sich explosionsartig aus. Louis Armstrong revolutioniert die Kunst der amerikanischen Popmusik und wird zu einem der größten Unterhaltungskünstler des Landes. Im "Savoy Ballroom" in Harlem kreiert Chick Webb seinen eigenen Big-Band-Sound mit einem neuen Tanz, dem "Lindy Hop". Aber es ist Duke Ellington, der mit Erfolgskompositionen von einer ganz neuen Qualität die Kategorien des Jazz sprengt. Die Kritiker vergleichen ihn mit Strawinski. Benny Goodman feiert auf seiner fast missglückten Amerika-Tournee doch noch einen unerwarteten Erfolg im "Palomar Ballroom" in Los Angeles, wo die Tänzer bei den Klängen seiner Big-Band förmlich durchdrehen. An diesem Abend beginnt das "Swing-Zeitalter".
Der Jazz hat jetzt einen neuen Namen: Swing. Die Bandleader des Jazz werden zu den Idolen der Matinees, Teenager tanzen Jitterbug zu den Klängen von Benny Goodman, Tommy Dorsey, Jimmy Lunceford und Glenn Miller. Nach tragischer Kindheit beginnt Billie Holiday ihre Musikkarriere - und wird zu einer der größten Jazzsängerinnen aller Zeiten. In Chicago beweisen Benny Goodman und Teddy Wilson, dass hervorragende weiße und schwarze Musiker auf der Bühne trotz Rassentrennung Seite an Seite swingen können. Aber im "Savoy Ballroom" in Harlem kann es nur einen König des Swing geben: Am 11. Mai 1937 treffen sich dort Benny Goodman und Chick Webb zu einem musikalischen Showdown. Er wird als "der Musikkampf des Jahrhunderts" angekündigt, und mehr als 4000 Tänzer kommen, um die beiden Kontrahenten anzufeuern. Als der Abend vorbei ist, gibt es keinen Zweifel darüber, wem die Krone gebührt.
Der Niedergang der amerikanischen Wirtschaft - die Depression erreicht ihren traurigen Höhepunkt, als der Jazz Triumphe feiert. Die Depression steuert ihrem Höhepunkt zu, der Jazz hingegen feiert einen neuen Siegeszug. Das Saxophon wird zum Symbol des Jazz, und wir begegnen zwei Meistern dieses Instruments, dem draufgängerischen Coleman Hawkins und dem introvertierten Lester Young. Jazzmusikerinnen wie die begnadete Pianistin und Arrangeurin Mary Lou Williams betreten die Bühne, aber Frauen werden noch immer von ihren Kollegen und Kritikern diskriminiert. Ella Fitzgerald schafft es dennoch. Sie übernimmt Chick Webbs Band - und macht Karriere als virtuose Sängerin. Benny Goodman gibt das erste Jazz-Konzert in der "Carnegie Hall" und rückt den Jazz damit noch mehr ins nationale Rampenlicht.
Anfang der 40er Jahre überschattet der Krieg die Welt. Der Jazz verändert sich. Eine kleine Band unter Leitung des Trompetenvirtuosen Dizzi Gillespie und des brillanten Saxophonisten Charlie Parker entwickelt in "Minton's Playhouse" in Harlem eine aufregend neue Art zu spielen - schnell, komplex und manchmal chaotisch. Als Amerika 1941 in den Krieg eintritt, gehört die Big-Band-Musik zur Ausrüstung. Sie soll den Kampfgeist zu Hause und in der Truppe stärken. Einige Bandleader gehen zur Armee, andere spielen für die Soldaten und nehmen sogenannte V- oder Victory-Platten auf. Duke Ellington findet einen ebenbürtigen Partner, den begabten jungen Komponisten Bill Strayhorn, mit dem er einige seiner besten Aufnahmen macht.
Im kriegsgeschüttelten Europa wird der Jazz von den Nazis verboten, aber es gibt Musiker, die sich davon nicht einschüchtern lassen und den Jazz zu einer Waffe des Widerstands machen. Für viele schwarze Amerikaner jedoch hat dieser Klang einen hohlen Beigeschmack: Sie kämpfen im Ausland für Rechte, die ihr eigenes Land ihnen zu Hause verwehrt. Zur selben Zeit bringt Duke Ellington sein musikalisches Portrait über das Leben der Schwarzen in Amerika heraus: "Schwarz, Braun, Beige". Wie gewohnt verwandelt er sein Orchester in ein einziges Instrument, mit dem er Musik von erstaunlicher Perfektion zaubert. Louis Jordan verhilft der "Rhythm-and-Blues" Musik zu Popularität. Charlie Parker und Dizzie Gillespie spielen "Ko-Ko" und kreieren damit einen neuen Sound, der als "Bebop" bekannt wird. Sobald die Amerikaner ihn hörten, war Jazz nicht mehr das, was er einst war.
Die Spannungen des Kalten Krieges spiegeln sich in den gebrochenen Rhythmen und den Dissonanzen des Bebop - und in dem zerrissenen Leben seines größten Protagonisten, Charlie "Bird" Parker. Seine melodischen, rhythmischen und harmonischen Erneuerungen sind derartig revolutionär in der Geschichte des Jazz, dass danach nichts mehr wie vorher ist. Parkers Improvisationen werden von anderen Musikern ebenso kopiert wie die Intensität seines selbstzerstörerischen, von Drogen beherrschten Lebens. "Birds" langjähriger Partner Dizzie Gillespie versucht noch, ihrer neuen Musik zum Durchbruch zu verhelfen, aber die Jugend schwärmt mittlerweile für Popstars wie Frank Sinatra. Seit dem Bebop, das heißt seit etwa 6 Jahrzehnten, ist der Jazz in seiner weiteren Entwicklung nicht mehr kunstvolle Tanzmusik, sondern E-Musik. Louis Armstrong gründet die "All Stars", eine kleine Band mit schwarzen und weißen Musikern. 1949 wird ihr Auftritt in New Orleans kurzfristig verboten, weil er die Jim-Crow-Gesetze der Rassentrennung verletzen würde. Der Konzert-Veranstalter Norman Granz lehnt sich gegen die Rassentrennung auf und besteht landesweit bei seinen Konzerten auf der Gleichbehandlung aller seiner Musiker.
Eine Generation neuer Musiker, die unter dem Eindruck des überwältigenden Genies Charlie Parker heranwächst, stellt sich dieser Herausforderung und geht über Parkers Innovationen hinaus. Der visionäre Pianist Thelonius Monk entwickelt aus seiner exzentrischen Persönlichkeit eine ganz individuelle Musik, während John Lewis mit seinem Modern Jazz Quartett den Bebop in seiner Balance zwischen Improvisation und Komposition verfeinert. Aber der Bebop findet nur wenige Anhänger. Kalifornische Musiker entwickeln einen neuen, reifen Sound, den Cool Jazz; Dave Brubeck mischt Jazz und Klassik und verkauft mit seiner Platte "Time Out" als erster über eine Million Exemplare einer Jazz-LP. Im Jahr 1955 stirbt Charlie Parker an den Folgen des Heroinmissbrauchs - im Alter von 34 Jahren. Sein ehemaliger Mitspieler Miles Davis überwindet den von ihm selbst inspirierten Cool Sound und schickt sich an, dem Jazz eine ganz neue Richtung zu geben.
Der Wohlstand der Nachkriegsjahre prägt Amerika weiterhin, aber es gibt auch Veränderungen: Die Vorstädte schießen aus dem Boden, das Fernsehen tritt seinen Siegeszug an, und die Babyboom-Generation wird erwachsen. Im Jazz lenken junge Talente die Musik in neue Richtungen. 1956, als Elvis Presley die Hitparaden anführt, kommt Duke Ellingtons meistverkaufte Platte auf den Markt. Neue Künstler betreten die Bühne: der Saxophonist Sonny Rollins, die Jazzdiva Sara Vaughan und der richtungsweisende Star dieser Ära: Miles Davis. Seine opulenten Aufnahmen unter dem Arrangeur Gil Evans bringen dem Jazz neue Anhänger. Miles Davis wird zum Symbol der gesamten amerikanischen Kultur, und seine Persönlichkeit wird zur Verkörperung all dessen, was cool ist. Als die unruhigen Sechziger Jahre beginnen, betreten mit John Coltrane und Ornette Coleman die Saxophonisten des Free Jazz absolutes Neuland. Zum ersten Mal fragen selbst Musiker: Ist das noch Jazz?
In den Sechziger Jahren hat es der Jazz schwer. Die meisten jungen Leute hören Rock'n Roll. Viele Jazzmusiker gehen nach Europa, so auch Dexter Gordon, ein Meister des Saxophons. In Amerika suchen der Bassist Charles Mingus, der Saxophonist Archie Shepp und der Avantgardist John Coltrane nach einer neuen Bedeutung für den Jazz. Miles Davis kombiniert Jazz und Rock und begründet so einen ungeheuer populären Musikstil: Fusion. 1976, als Dexter Gordon aus Europa zurückkehrt und ein triumphales Comeback feiert, erlebt auch der Jazz eine neue Blüte. In den folgenden zwei Jahrzehnten wächst unter der Leitung des Trompeters Winton Marsalis eine neue Generation von Jazzmusikern heran - geschult in der Tradition dieser Musik, ausgebildet in der Kunst der Improvisation - und voller neuer Ideen, die nur im Jazz ihren Ausdruck finden können.