Als die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gebaut wurde, sollte sie ein Nationaldenkmal sein und ein Tempel der Hohenzollernkaiser. Sie war schon immer mehr Denkmal als Kirche. Nur knapp 50 Jahre überstand sie unbeschädigt. Sie wurde Zeugin nationaler Selbstüberschätzung und der totalen Niederlage. Die Ruine der zerbombten Kirche wurde zum Antikriegs-Symbol, mit dem neu hinzugebauten Gebäudeensemble war sie das Aushängeschild des Schaufensters West-Berlin. Zu einem wirklichen nationalen Denkmal wurde sie dann auf ganz eigene Art. Zu einem einzigartigen Wahrzeichen. Als modernistische Stadtplaner das Trümmerfeld West-Berlin schleifen wollten und eine neue Stadt planten, waren es plötzlich die einfachen Berliner – bislang hatten sie der Kirche nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt – die ihnen in den Arm fielen. Nun, da sie Ruine war, kämpften sie plötzlich für sie. Die Ruine sollte bleiben: Symbol der „Stunde Null“, Mahnmal des Hochmuts und des tiefen Falls, Denkmal der Trümmerfrauen und derer, die unter den Trümmern lagen, eine Erinnerung an alles, was man durchgemacht. Die Stadtgestalter mussten sich fügen. Heute glaubt jeder sie zu kennen. Wer in Berlin war, hat sie gesehen. Sie ist eine der Attraktionen der Stadt, doch weiß keiner so recht, was es auf sich hat mit dem „Hohlen Zahn“, wie der Berliner ihre Kirche nennen. Heute steht die Ruine fester, als die Kirche je stand. Längst ist vergessen, an welchen Wilhelm sie erinnern sollte. Sie ist ein Mahnmal gegen den Krieg geworden, ein steinernes „Nie wieder!“. Seit dem Dezember 2016 ist der Platz um die Gedächtniskirche trauriger geworden. Er wurde zu einem anderen Ort. Das Mahnmal hat einen Sinn hinzugewonnen – nein, es hat ihn schon seit 1945 – und er heißt: Versöhnung. (Text: ARD)