Dreimal kam es am Chiemsee in den letzten beiden Jahrzehnten zu Jahrhunderthochwassern. Tierarten, die in den Überschwemmungsgebieten leben, entwickeln raffinierte Überlebensstrategien: die Knotenameisen etwa nehmen die Königin in die Mitte und bilden aus ihren Leibern ein Floß und erobern neuen Lebensraum. Hochwasser ist weniger eine Katastrophe für die Natur, es trifft vor allem die Menschen. Auf den oft jahrhundertealten Feuchtwiesen im Überschwemmungsgebiet des Chiemsees wachsen botanische Schönheiten wie Trollblumen, Mehlprimel und die Sibirische Schwertlilie. Doch die meisten derartigen Wiesen im Chiemgau sind mittlerweile entwässert und gedüngt, um die Qualität des Viehfutters zu verbessern und die Flächen rentabler zu machen. Überall, nicht nur im Chiemgau, fällt auf, dass besonders Tierarten der Feldflur rapide weniger werden. Auch Arten, die vormals häufig waren wie der Brachvogel. Oder die Schwalben, die eigentlich untrennbar mit Wiesen, Weiden und Kuhställen verbunden sind. Bis zu einhundert Mal im Jahr gibt es am Chiemsee Sturmwarnung. Dann fegen Böen mit bis zu 100 Stundenkilometern über das Wasser. Für die Natur ist aber nicht entscheidend, ob es künftig mehr oder weniger Sturm und Hochwasser gibt – entscheidend ist der Umgang des Menschen mit der Chiemgauer Landschaft.