Westfalen steht häufig im Schatten des Rheinlands und des Ruhrgebiets. Es scheint das Land der langsameren Entwicklung, der Tradition, der Kontinuität. Aber Westfalen ist mehr. Werner Kubny und Per Schnell stellen die Menschen und die Landschaft Westfalens in vier Folgen vor. In der ersten Folge fragen die Autoren, was typisch westfälisch ist.
Westfalen ist eine Region mit großer landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Tradition. Mit dem Bestellen von Äckern und der Nutzung der Wälder begann die wirtschaftliche Entwicklung. Die Verarbeitung von Holz hat Tradition, aber auch die Verarbeitung von Eisen und Stahl hat Jahrhunderte alte Wurzeln. Das Dortmunder Bier wurde schon zu Zeiten der Hanse quer durch Europa gehandelt. Menschen quer durch Westfalen zeigen ihren Arbeitsplatz und erzählen, was sie mit ihrer Arbeit verbindet. Dabei zeigt sich, dass es deutlich spürbare Gemeinsamkeiten gibt, vom Bauernhof bis zur Textilfabrik.
Im 18. Jahrhundert galt Westfalen den Preußen als das Sibirien Europas, kulturlos und rückständig. Als die Preußen jedoch auch in Westfalen immer mehr Staatsdiener brauchten, stellten sie fest, dass der Westfale so etwas wie der Idealtypus des Beamten ist, zuverlässig und treu, aber aufrecht genug, um nicht in Kadavergehorsam zu verfallen. In Münster, der Kaderschmiede der Juristen in Westfalen, spiegelt sich noch heute die Beamtentradition. Daneben wird die Stadt vom Selbstbewusstsein der Kaufleute geprägt, die hier - aber auch anderswo in Westfalen - auch nach außen festhalten, welch wichtige Rolle sie spielen, vor keiner Krise kapitulieren und immer neue Geschäftsmöglichkeiten entdecken.
Die Geschichte Westfalens beginnt mit der Unterwerfung der Sachsen durch Karl den Großen und ihrer Zwangschristianisierung. Seitdem, seit mehr als tausend Jahren, spielen Kirche und Glauben eine zentrale Rolle. Von christlichen Klöstern gingen Bildung und Kultur aus. Von Kirchen und Klöstern wurde aber auch mit der Reformation eine tiefe Spaltung in die Bevölkerung Westfalens getragen, weil in den vielen kleinen Fürstentümern jeweils der Herrscher über die Konfession seiner Untertanen bestimmen konnte. Die Zwistigkeiten zwischen Katholiken und Protestanten gehören mittlerweile der Vergangenheit an, aber an vielen Orten in Westfalen, etwa in den Bodelschwingh'schen Anstalten in Bethel oder in Attendorn bei der Vorbereitung zum Osterfeuer, wird deutlich, wie intensiv - und wie vielfältig - christliche Tradition und Überzeugung gelebt wird.