Die nackte Wahrheit? 1986 war das Jahr der Fake-News in den 80ern, obwohl es den Begriff noch gar nicht gab. Ständig veränderten sich die Fakten: Da gab es den verstrahlten Regen aus Tschernobyl. Der war aber nicht so schlimm, sagten die Politiker. Da waren entführte Aufbauhelfer aus Wuppertal. Die waren selbst schuld, sagte der US-Außenminister. Der Rhein war rot. Alles ganz harmlos, sagte die Chemieindustrie. Alles Märchen und Lügen, die man uns auftischte! Aber alles Schlechte hat auch etwas Gutes und das zeigte sich 1986. Manchmal muss man täuschen, um die Wahrheit aufzudecken. Günter Wallraff war darin ein Meister, und sein Film: „Ganz unten“ lockte über eine Viertelmillion Zuschauer ins Kino. „Eine Gefährdung ist absolut auszuschließen“, tönte Innenminister Zimmermann, als die Nachrichten vom Reaktorunglück in der Ukraine Deutschland erreichten. Kurz darauf wurde die Einfuhr von Nahrungsmitteln aus sieben osteuropäischen Staaten von der EG verboten, ebenso der Verkauf von Feldgemüse und -Obst aus NRW. Ein junger Radiologe aus Bochum wollte es genau wissen, und zog mit dem Geigerzähler los: In Hamm-Uentrop stellte Dietrich Grönemeyer erhöhte Strahlendosen fest, die nicht aus Tschernobyl stammen konnten sondern aus dem nahen Kernkraftwerk. Alles Abstreiten half nichts: Auch dort war Radioaktivität ausgetreten. Solche und andere Lügen führten dazu, dass das Vertrauen der Bevölkerung in die Atomkraft nachhaltig erschüttert wurde. Kapitalismus? Kommunismus? Keiner hat die Wahrheit für sich gepachtet. Vielleicht gab es ja so etwas wie einen dritten Weg. Immer mehr junge Menschen gingen deshalb nach Nicaragua. Doch im Frühjahr 86 wurden 12 dieser Aufbauhelfer von „Contras“ entführt. Vier von ihnen konnten fliehen, darunter Dagmar Vogel aus Oberhausen. Die Entführung schlug Wellen bis in höchste Regierungskreise. Der amerikanische Außenminister behauptete dreist, die Aufbauhelfer seien bewaffnet gewesen, und damit Kriegspartei.