Leben aus Leidenschaft.
Wenn in dem mittelalterlichen Städtchen Avila im Herzen Spaniens das Fest der heiligen Theresia gefeiert wird, ist das ganze Volk auf den Beinen. Die Ortsheilige ist immerhin eine der größten Frauengestalten der katholischen Kirche, Ordensgründerin, erste weibliche Kirchenlehrerin und Patronin Spaniens. Und sie war eine Frau, die sich voller Leidenschaft gleichzeitig der Welt zuwandte und tiefe religiöse Erfahrungen suchte. Schon als junges Mädchen aus wohlhabender Familie, in die sie 1515 hineingeboren wurde, schätzte sie die Freuden des Lebens, wenn da nicht die strengen Gesetze von Kirche und Gesellschaft des 16. Jahrhunderts gewesen wären, die ihr Grenzen setzten. Eine Möglichkeit, dennoch ein intensives und erfülltes Leben nach ihrem Willen führen zu können, fand sie ausgerechnet im Kloster. Bald entdeckte sie für sich eine Form meditativen Betens, die ihr eine ganz persönliche Gottesbeziehung ermöglichte. Theresias religiöser Weg war von da an gekennzeichnet von geheimnisvollen Krankheiten, mystischen Visionen und exstatischen Erlebnissen. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen, aber auch mit viel Charme, Humor und Diplomatie gelang es ihr, sich fast völlig von der Bevormundung männlicher Geistlicher zu befreien und vieles zu tun, was Frauen und natürlich Nonnen zu jener Zeit verboten war: Sie las und schrieb Bücher, reformierte den Karmeliterorden, reiste zu diesem Zweck selbständig im Lande herum, kaufte als tüchtige Geschäftsfrau Land und Häuser für ihre neuen Klöster und hatte intensive Freundschaften mit Frauen und Männern. In Toledo begegnete sie ihrem spirituellen Bruder und Freund Johannes vom Kreuz, mit dem zusammen sie auch Männerklöster gründete. Theresia und Johannes wurden zu ihrer Zeit verleumdet, überstanden aber alle Angriffe und überwanden viele innerkirchliche Widerstände.