Was macht ein Unglück mit den Menschen, die es erlebt haben oder die als Angehörige betroffen waren? Welche Wunden, Langzeitfolgen, welche Narben haben die Ereignisse bis heute hinterlassen? Um diese Fragen geht es in dem neuen NDR Doku-Talkformat „Die Narbe“. Jede der drei Folgen beginnt mit einer halbstündigen Dokumentation über das jeweilige Unglück, danach spricht Moderatorin Anja Reschke mit Gästen über die Langzeitfolgen. Nirgendwo ist die Wahrscheinlichkeit, unabsichtlich zum Täter zu werden, so groß wie im eigenen Auto. Ein Moment der Unachtsamkeit, eine falsche Entscheidung genügt und das Leben ist nie wieder so wie vorher. Wie geht ein Mensch damit um, wenn er Schuld auf sich lädt? Wenn er damit leben muss, das andere Menschen nicht mehr leben? Für Kirsten Ettmeier änderte sich alles auf dem Weg in einen Wochenendausflug mit ihren Freundinnen. Am 8. April 2011 geriet sie auf der Autobahn A19 bei Rostock in einen Sandsturm, der ihr innerhalb kürzester Zeit die Sicht raubte.
In der zweiten Folge von „Die Narbe“ stehen das Zugunglück von Eschede und das Thema „Vergebung“ im Mittelpunkt. Was passiert, wenn eine Katstrophe Teil der eigenen Biografie wird? Im Juni 1998 entgleiste der ICE 884 im niedersächsischen Eschede und prallte gegen einen Betonpfeiler. 101 Menschen starben bei der Katastrophe. Familien wurden auseinandergerissen, Hunderte HelferInnen traumatisiert. Seitdem sind mehr als 20 Jahre vergangen. Die Kameras sind abgebaut, im öffentlichen Bewusstsein verblasst das Unglück zusehends. Dieser Film ergründet, wie die Katastrophe die Menschen bis heute prägt und woraus sie Kraft schöpfen, Betroffene und Verantwortungsträger. Mehrere Monate lang haben die Filmemacher Inga Mathwig und Hans Jakob Rausch vier Menschen begleitet, deren Leben durch das Unglück verändert wurde. Die Angehörige Annette Angermann, die ihren Bruder verloren hat. Den Feuerwehrmann Michael Besoke aus Eschede. Und die Deutsche-Bahn-Chefs von damals: Johannes Ludewig und seinen Nachfolger Hartmut Mehdorn. Beide haben damals keinerlei Schuld ihres Unternehmens eingeräumt. In „Die Narbe“ stellen sie sich der Kritik der Betroffenen. Zum ersten Mal überhaupt äußert sich Hartmut Mehdorn in diesem Film zu seinem Umgang mit der Katastrophe. Offen sprechen alle vier über den Umgang mit Trauer und Wut, und die Frage, was man aus einer solchen Katastrophe lernen kann. Anja Reschke spricht nach dem Film mit der ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche Deutschlands, Margot Käßmann.
Die Katastrophe von Ramstein hat sich ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben: Im August 1988 stürzte bei einer Kunstflugshow auf der US-Air Base ein Düsenjet in die Menge. 70 Menschen starben, 450 Menschen wurden teils schwer verletzt. Seitdem sind über 30 Jahre vergangen. Aber die Überlebenden und HelferInnen sind bis heute traumatisiert. Dieser Film erzählt die Geschichte von zwei Menschen, deren Leben durch das Unglück miteinander verbunden wurde. Roland Fuchs war mit seiner Familie auf dem Flugtag und verlor Frau und Tochter. Der Krankenpfleger Christopher Söhnlein hatte damals seinen ersten Arbeitstag auf der Intensivstation. Er pflegte die Tochter von Roland Fuchs bis zu ihrem Tod. Die Bilder und Ereignisse von damals verfolgen die beiden Männer bis heute und haben sie traumatisiert. Die Filmemacher Benjamin Arcioli und Hans Jakob Rausch begleiten Christopher Söhnlein während einer Traumatherapie und erzählen, wie Roland Fuchs mit seinem Verlust umgeht. Offen sprechen die beiden über ihren Umgang mit Trauer und Schuld, und die Frage, woraus sie Kraft schöpfen. Nach der Dokumentation spricht Anja Reschke mit dem ehemaligen Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz Bernhard Vogel sowie mit dem Arzt Hartmut Jatzko, der über Jahrzehnte Opfer und Hinterbliebene des Ramstein-Unglücks betreut hat.