Der Mauerbau ändert die Situation an der Charité. War sie nach dem Ende des Krieges zunächst ein Ort der bürgerlichen Eliten, die in Anpassung und Opportunismus geübt waren. Aus den Göttern in Weiß werden nicht über Nacht Götter in Rot. Medizinische Koryphäen, die eine kurze Phase der Entnazifizierung überstanden haben, bleiben oft in ihren alten Positionen. Diese Kontinuität beherrscht das Klima im Vorzeigekrankenhaus der noch jungen DDR. Der geerbte Ruhm des Hauses wirkt weiter. Der österreichische Forensiker Otto Prokop wechselt von der Universität Bonn an die Charité und übernimmt dort die Gerichtsmedizin. Er bleibt ein Pendler zwischen den Welten und wird international bekannt als "Blutgruppenpapst". Andere, wie der Biochemiker Mitja Rapoport und die Kinderärztin Ingeborg Rapoport, entscheiden sich bewusst für das sozialistische Land. Zweimal wurden sie vertrieben: zuerst durch die Nazis, weil sie Juden waren. Später mussten sie die USA in der McCarthy-Ära verlassen, weil sie als Kommunisten verfolgt wurden. An der Charité werden sie bleiben. Die DDR ist für sie die vermeintliche Alternative zu dem Deutschland, das Faschismus und Rassenverfolgung hervorgebracht hat. (Text: ARD)