1. Teil: Lenin - Die Revolution, die noch keine war. Im Oktober 1917 besetzen die Bolschewiki den Winterpalast in Petrograd und rufen die "große sozialistische Oktober-Revolution" aus. Der Zar war jedoch bereits im März gestürzt. Lenin übernimmt mit einer kleinen Gruppe von Berufsrevolutionären die Regierung. Sie wollen eine "neue Welt schaffen, eine Welt der Gerechtigkeit und Gleichheit, eine Welt ohne Krieg". Viele russische Dichter und Denker schließen sich diesem Aufbruch an. Sie sehen in Lenins Revolution eine "wahre Befreiung des Geistes und der Menschheit". Um diesen Entwurf zu realisieren, ist Lenin jedes Mittel recht. Unter seiner Führung werden die "Tscheka", der heutige KGB, gegründet und die ersten Lager des "Gulag" errichtet.
Im Sommer 1918 verabschiedet der russische Sowjetkongress in Moskau die erste sozialistische Verfassung der Welt. Sie enthält u.a. die Forderung nach der "Diktatur des Proletariats" und der "Verfolgung aller Feinde des Sozialismus". Privates Eigentum wird abgeschafft. Der totale Zugriff auf alle Betriebe und die gesamte Landwirtschaft führt zu Aufständen von Bauern und Arbeitern, die von der Roten Armee niedergekämpft werden. Die Vorgänge in der Sowjetunion lösen Widerstände aus, faszinieren aber auch Millionen von Menschen. Beginnen doch die Bolschewiken mit der Alphabetisierung der Bevölkerung und Elektrifizierung des Landes. Man ist geneigt, die von den Bolschewiken ausgehende Gewaltanwendung als eine vorübergehende Erscheinung anzusehen und vertraut auf die Worte der Internationale: "Zerstören wir die Welt bis auf die Grundfesten, damit wir eine neue bauen können".
Nach Lenins Tod übernimmt Stalin als bestellter Generalsekretär der Partei die Macht. Gezielt schaltet er jegliche Opposition aus. Da die Weltrevolution ausgeblieben ist, stützt sich Stalin auf ganz Russland. Sein Konzept: Staat und Wirtschaft werden der Partei unterstellt, Enteignung und Zwangskollektivierung der Landwirtschaft, Forcierung der Industrialisierung. Die Zwangsarbeit in den Lagern des "Gulag" wird zum wichtigsten Wirtschaftsinstrument des stalinistischen Jahresplanes. Die Idee des Sozialismus wird zum Vehikel. Stalin verfolgt, wie seine Außenpolitik zeigt, rein imperiale Ziele. Trotz der Schauprozesse, des Personenkults und der Millionen von Gefangenen bleibt der sozialistische Anspruch der Sowjetunion Vorbild und Ziel vieler Intellektueller in der ganzen Welt.
Nach dem Tod Stalins kommt es zu ersten Aufständen in den Lagern des "Gulag" und zu erheblichen Widerständen in der sowjetischen Bevölkerung. Volksaufstände in der DDR, in Ungarn und Polen, und später in der Tschechoslowakei folgen. Chruschtschow versucht eine Liberalisierung, doch viele seiner Reformen scheitern an Widerständen innerhalb der Partei und der Wirtschaft. Auch die Öffnung zum Westen bringt nicht die in Moskau gewünschten Erfolge. Leonid Breschnew nimmt die meisten Reformansätze Chruschtschows zurück und setzt Stalins Politik mit weniger Gewalt fort. Die Sowjetunion wird zur Globalmacht, doch der Koloss steht auf tönernen Füßen. Erst Gorbatschow wird eine allumfassende Reform einleiten, die die existierenden Institutionen erneuern soll: "Perestrojka = Erneuerung". Aber weder Partei noch zentrale Planwirtschaft lassen sich reformieren. Die Sowjetunion soll darüber zerfallen.